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Bestandserhaltung

Technische Bearbeitung von Zugängen

1. Provisorische Einlagerung

Jeder Neuzugang von Archivgut sollte zunächst getrennt vom übrigen Archivgut gelagert werden. Im Idealfall steht hierfür ein eigenes Eingangsmagazin (= Zugangsmagazin, Vorsortierung) zur Verfügung.

Gründe hierfür sind:

  • Zuordnung zum Magazin
  • Signaturvergabe
  • mögliche Verschmutzungen, Feuchtigkeit, Schimmelpilz, Schädlingsbefall
  • Akklimatisierung (Raumklima) ➔ Temperatur, Luftfeuchtigkeit
  • Äußere Einflüsse müssen immer kontrolliert werden, da sie nicht in das Endmagazin gelangen dürfen
  • Sofortmaßnahmen:
    • feuchte/nasse Papiere:
    • Ideal: sofortiges Einfrieren mit anschließender Gefriertrocknung
    • vorübergehende Maßnahme: Einwickeln in Folie, kühle Lagerung (getrennt vom übrigen Archivgut!)
    • verschmutzte Papiere:
    • Grobe Reinigung durch Abfegen/Abbürsten

2. Umbettung (Verpackung) nach archivalischen Kriterien

Arbeitsschritte:

  • ursprüngliche Verpackung entfernen
  • einfaches Reinigen durch Abfegen/Abbürsten
  • entmetallisieren, "entplastiken"
  • ggf. Fadenheftung auflösen
  • idealerweise Paginierung
  • in säurefreie Aktendeckel ("Schürze") verpacken
  • ggf. Benutzerblatt hinzufügen
  • Signaturschild auf Aktendeckel aufkleben
  • mehrere Archivalieneinheiten in säurefreie Archivkartons verpacken
  • endgültige Einalgerung im Endmagazin

3. Restaurierungs- und Konservierungsmaßnahmen (nach Bedarf)

  • Restaurierungsmaßnahmen: einzelne Blätter oder ganze Akten (z.B. mechanische Schäden, Pilzbefall)
  • Konservierungsmaßnahmen: v.a. Entsäuerung

4. Sonstige Maßnahmen (nach Bedarf)

  • Sicherungs- und Schutzverfilmung
  • Ersatzüberlieferung durch Herstellung von Reproduktionen

Verfilmung

  • Schutzmaßnahmen in der Bundesrepublik Deutschland (seit 1960er Jahren)
  • Hauptmotive:
    • Schutz der Originale vor Beschädigung
    • Schutz der Originale vor Verlust
    • ➔ Schutz von Kulturgut
  • Internationale Abkommen und Verträge:
    • Haager Konventionen (auch: Haager Abkommen) (1899 und 1907)
    • Washingtoner Vertrag (auch: Washingtoner Abkommen, Roerich-Pakt) (1935)
    • Konvention zum Schutz von Kulturgut bei bewaffneten Konflikten (UNESCO) (1954)

Grundlagen für die Sicherungs- und Schutzverfilmung

Voraussetzungen

  • technisch (= qualitativ) vertretbar
  • wirtschaftlich vertretbar
  • Verfilmung in Verfilmungszentren
  • zentrale Lagerung
  • Herstellung durch Fachpersonal
  • qualitative Standards
  • Einordnung in Dringlichkeitsstufen
  • Stufe 1 = alle Findmittel, Urkunden, handgezeichnete Karten oder Pläne; 30% Akten und Amtsbücher vor 1800; 10\% Akten und Amtsbücher nach 1800
  • Stufe 2-4 = je nach Bundesland; je neuer, desto geringere Stufe, Nicht-Unikate geringste Stufe, Dokumente aus der NS-Zeit allerdings Stufe 2 (in Nds.)

Sicherungsverfilmung

Unter Sicherungsverfilmung versteht man die vorbeugende Herstellung von Reproduktionen von Archivgut auf Film, die einem eventuell eintretenden Verlust des Originals vorbeugen sollen. Die Sicherungsfilme sind nicht für die normale Benutzung bestimmt.

Schutzverfilmung

Unter Schutzverfilmung versteht man die vorbeugende Herstellung von Reproduktionen von Archivgut auf Film, die anstelle des Originals vorgelegt werden können, wenn der Erhaltungszustand desselben eine Vorlage nicht erlaubt.

Ersatzverfilmung

Unter Ersatzverfilmung versteht man die Herstellung von Reproduktionen von Archivgut auf Film, die anstelle des Originals überliefert werden können. Die Originale werden vernichtet.

Vor- und Nachteile

Sicherungs- und Schutzverfilmung Ersatzverfilmung
Vorteile Schutz der Originale Platzersparnis im Magazin
keine Nutzungseinschränkungen
Nachteile hohe (Personal-)Kosten Originale werden kassiert
Änderungen bei Aufteilung der Originale werden nicht abgebildet evtl. Informationsverlust

Entsäuerung

Sogenanntes Holzschliffpapier ist von Mitte des 19. bis in das 20. Jahrhundert hinein verwendetes Papier. Es ist oft stark säurehaltig und zerfällt daher mit der Zeit. Der Zerfall der Papiere kann nur durch die sogenannte Entsäuerung verhindert werden.

Massenentsäuerung

Es gibt drei Arten von Verfahren zur massenhaften Entsäuerung von Papieren:

  • Flüssigphasen-Verfahren
  • Trocken-Verfahren
  • Wässriges Einzelblatt-Verfahren

Flüssigphasen-Verfahren

  • Entwickelt durch die Gesellschaft zur Sicherung von schriftlichem Kulturgut (GSK) im Archivzentrum Pulheim/Brauweiler bzw. Berlin auf Basis des Verfahrens der Neschen AG in Kooperation mit der Hochschule Hannover
  • maschinelle Konservierung gebundener Materialien aus Papier ➔ "Book-CP-Verfahren"

Trocken-Verfahren

  • Entsäuerung von Papieren in der Gas-Phase

Wässriges Einzelblatt-Verfahren

  • z.B. Bückeburger Verfahren (Neschen AG; einziges maschinelles Einzelblattverfahren, das Papier entsäuert und nachhaltig vor Papierbruch schützt)

Beschreibstoffe

Pergament

Als Pergament bezeichnet man leicht bearbeitete, dünne Tierhäute (z.B. von Kuh oder Ziege), die seit dem Altertum als Beschreibstoff verwendet wurden.

Papier

Hadernpapier

Als Hadernpapier werden Papiere bezeichnet, die aus Alttextilien (= Lumpen) oder textilen Faserrohstoffen (z.B. Wolle, Leinen) hergestellt worden sind und werden. Die Zellfasern wurden bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts aus Alttextilien gewonnen. Da der Papierverbrauch stark anstieg und deshalb nicht genug Alttextilien verfügbar waren, wurde dauernd nach alternativen Rohstoffen gesucht. Heute werden bspw. Geldscheine aus Hadernpapier hergestellt.

Holzschliffpapier

Seit 1843 entwickelte Friedrich Gottlob Keller (1816-1895) das heute übliche Verfahren zur Herstellung von Papier aus Holzschliff. Er schliff Holz in Faserrichtung mit Wasser zu Holzschliff, das zur industriellen Massenherstellung kostengünstigen Papiers geeignet war. Oft wurde billigem Holzschliff tierische Leime mit Harzen zugesetzt, die dazu führen, dass viele Papiere stark säurehaltig sind und deswegen schnell an Elastizität verlieren und brüchig werden. Da solche Papiere bis weit in das 20. Jahrhundert hinein eingesetzt wurden (ca. 1840-1980), ist davon auszugehen, dass mehr als 70% aller Archivbestände von diesem schleichenden Zerfall betroffen sind.

Überwiegend alterungsfreies Papier wird als sogenanntes "säurefreies Papier" (durch chemische Zusätze überwiegend frei von Säuren und Chloriden nach DIN ISO 9706) seit den 1980er Jahren hergestellt und verwendet.